Mein Geburtsbericht

Mein Geburtsbericht

  • September 21, 2021
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Triggerwarnung: Kaiserschnitt (Details), Makrosomie, Schulterdystokie, Übelkeit
Aus gegebenem Anlass umfasst mein Geburtsbericht die gesamte letzte Woche meiner Schwangerschaft und beginnt mit den ersten Tagen der „Übertragung“ nach errechnetem Geburtstermin (ET) sowie einem kurzen Ausflug zurück in die 37. Schwangerschaftswoche (Ssw). Auf die Namensnennung der Kliniken werde ich in diesem Beitrag bewusst verzichten.

In den letzten Wochen meiner Schwangerschaft fieberte ich mit unerschütterlicher Vorfreude unserem Geburtserlebnis entgegen – auch wegen der mentalen Vorbereitung durch Hypnobirthing. Möglichst natürlich und selbstbestimmt wollte ich entbinden. Ich nehme es gleich vorweg: Unsere Vorstellungen und Wünsche, wie wir unseren Sohn auf die Welt bringen wollten, wurden mit dem Start der 41. Ssw komplett über den Haufen geworfen. Aber eins nach dem anderen.

Kurz vor der Ziellinie wurde in der 37. Ssw bei unserem Kind im Ultraschall eine Erkrankung der rechten Niere festgestellt. So lag ich wenige Stunden später auf der Ultraschallliege beim Feindiagnostiker, der den Verdacht bestätigte. Der Befund lässt sich glücklicherweise gut behandeln, weshalb ich an dieser Stelle auch nicht näher auf die Erkrankung eingehen werde. Ich informierte daraufhin umgehend die Klinik in der ich zur Geburt angemeldet war, und nach einem Gespräch mit den Fachärzten vor Ort und dem Fakt, dass die weitere Behandlung der Niere erst mit dem 10. Lebenstag erfolgt, sollte einer Entbindung in meiner Wunschklinik eigentlich nichts im Wege stehen. Leider rieten mir sowohl meine Gynäkologin als auch die Klinik dazu, wegen der Diagnose nicht allzu lang über den errechneten Geburtstermin zu gehen.

Der Schätztermin, wie ich ihn lieber nenne, war mit dem 29. August erreicht und natürlich passierte – genau – nichts. An Tag 40+2 stand ich also im Aufzug in die 5. Etage einer traditionsreichen Kölner Geburtsklinik zur Kontrolluntersuchung. Martin musste pandemiebedingt natürlich draußen warten. Ich war voller Motivation, die vorgeschlagene Einleitung noch ein paar Tage hinauszuzögern. Unserem Baby ging es in sämtlichen vorangegangenen Untersuchungen immer bestens, nie gab es Auffälligkeiten im CTG und auch Fruchtwasser und Plazenta sahen noch gut aus. Warum also voreilig einleiten? Nach einem abermals sehr guten CTG bekam ich Gesellschaft von einer jungen sympathischen Fachärztin, die das weitere Vorgehen mit mir besprechen wollte und noch mal mit dem Ultraschallgerät nach unserem Kleinen und seiner Niere sehen wollte. Ab diesem Zeitpunkt hätte ich meiner Wunschgeburt bereits „Sag beim Abschied leise Servus“ singen können.

„Frau H., sie haben da ein ganz schön kräftiges Kerlchen in ihrem Bauch.“

Ich breche das an dieser Stelle mal kurz runter: Im Ultraschall kam die Ärztin auf ein Schätzgewicht unseres Babys von 4.280 g, weshalb sie Rücksprache mit dem leitenden Oberarzt halten wollte. Besagter Oberarzt holte mich kurze Zeit später zu einem weiteren Ultraschall ab, diesmal jedoch mit dem oberkrassen super Schallgerät. Er schallte deutlich länger, fast 20 Minuten, sah sich die Niere nochmal genau an und kam ebenfalls auf ein recht hohes Schätzgewicht. Da fiel dann neben dem Nierenbefund auch das erste Mal das Wort „Makrosomie“, was so viel wie Großwuchs bedeutet. Zitat: „Frau H., sie haben da ein ganz schön kräftiges Kerlchen in ihrem Bauch, ich möchte das gerne noch mal mit unserem Professor abklären.“ Ich zog mich also wieder an und ahnte ab diesem Zeitpunkt, dass man mich jetzt vermutlich ganz bald einleiten will.

Und so saß ich dann nicht mehr ganz so positiv gestimmt eine halbe Ewigkeit im Wartezimmer. Mittlerweile waren bereits drei Stunden vergangen, ich hatte großen Hunger und keine Lust mehr. Hormonell bedingt fing ich natürlich irgendwann an zu heulen und fragte die Hebammen, wie lange diese Rücksprache mit dem Professor wohl dauern würde. Eine Antwort konnte mir darauf natürlich niemand geben, aber nach über einer Stunde holte mich endlich die Fachärztin vom Morgen zum Gespräch ab. Ich hatte Hoffnung. Fünf Minuten später und eine Tür weiter war es dann allerdings sehr schnell vorbei mit meiner Hoffnung. Denn die Ärztin teilte mir mit, dass ich aufgrund der Nierenthematik und des hohen Kindsgewichts leider doch nicht mehr in dieser Klinik entbinden könne. Sie würden mich nun an eine Klinik mit Perinatalzentrum überweisen, sie hätte bereits mit dem Oberarzt vor Ort telefoniert, der mich dort in einer Dreiviertelstunde erwarte. Wir sollten uns also umgehend auf den Weg dorthin machen.

Kurze Randinfo: Diese Klinik wäre die vermutlich letzte Klinik gewesen, für die ich mich entschieden hätte. Zwei weitere Kölner Kliniken mit Perinatalzentrum hatten jedoch aufgrund der Kurzfristigkeit keine Kapazität und so blieb mir schlichtweg keine Wahl. Unter Tränen holte ich also meinen Mutterpass bei den Hebammen ab und lief heulend über die Wöchnerinnenstation zurück zum Aufzug um unten am Ausgang erstmal Martin in die Arme zu fallen. Da standen wir also mit unseren geplatzten Geburtsplänen und einem „Riesenbaby“ im Bauch.

„Sind sie schon vor Ort? Die suchen nach Ihnen.“

In der anderen Klinik angekommen war ich mit den Nerven eigentlich schon völlig runter. Selbstverständlich wieder ohne Martin begann nun ein Marathonlauf durch das riesige Gebäude. Von der Schwangerenambulanz wurde ich erstmal wieder zurück zur Anmeldung geschickt, währenddessen rief mich die alte Klinik an ob ich denn noch nicht in der neuen Klinik angekommen sei, man würde mich dort bereits suchen. Es war schrecklich und, ich kann es nicht anders sagen, für eine Hochschwangere einfach nur unzumutbar. Irgendwann lief ich dem Arzt, der so dringend nach mir fahnden ließ, auf dem Flur über den Weg, um mich von ihm in die Feindiagnostik scheuchen zu lassen. „Die sind nur noch eine halbe Stunde da“. Der dritte Ultraschall des Tages stand also an. Völlig gehetzt, verschwitzt und resigniert in der Feindiagnostik angekommen, wusste ich nicht mehr wo oben und unten ist und fühlte mich nun endgültig wie eine Risikoschwangere. Immerhin durfte Martin in die Abteilung für Feindiagnostik dazukommen.

Ich glaube es war 16:30, als mir erneut Ultraschallgel auf den Bauch geschmiert wurde. Die Feindiagnostikerin hatte immerhin vollstes Verständnis für meinen mittlerweile desolaten seelischen Zustand. Das Schicksal nahm seinen Lauf. Sie kam auf ein stolzes Schätzgewicht von 4.600 g. „Makrosomie“ stand nun auch Schwarz auf Weiß auf dem Zettel mit dem Befund. Ein kurzer Blick noch auf die Niere, die sich anders als das Geburtsgewicht nicht ständig veränderte, dann wurden wir aufgrund meiner Verfassung erstmal zum Ausruhen nach Hause geschickt. Am nächsten Tag um 9:00 sollte ich zur weiteren Geburtsplanung wiederkommen. Alles andere hätte ich zu diesem Zeitpunkt auch verweigert. Nach Hause fahren war alles was ich wollte.

„Vor Freitag haben wie sowieso keine Einleitungskapazitäten.“

Der nächste Tag und Neues aus Absurdistan: wieder langes verweilen im Wartezimmer, wieder ein Arztgespräch. Dabei kam dann erstmal raus, dass ich am Vortag weiterhin gesucht wurde, da die Information, dass ich von der Feindiagnostikerin nach Hause geschickt wurde wohl nicht zum Kreißsaal-Team durchgedrungen war. Ein Hoch auf die Kommunikation in solch riesigen Kliniken. Ich habe wirklich mehr als einmal ungläubig mit dem Kopf geschüttelt. Nach dem Gespräch mit dem Oberarzt durfte ich überraschenderweise abermals mit unserem nierenkranken Riesenbaby im Bauch nach Hause fahren. Wofür war jetzt noch gleich diese Hetzjagd nötig? „Vor Freitag haben wir sowieso keine Einleitungskapazitäten.“ Egal – ich hab mich gefreut. Wieder eine Chance für den Kleinen, sich doch noch von alleine auf den Weg zu machen.

Freitag, CTG Kontrolle, Termin zur Einleitung, leichte Wehen erkennbar. Ein anderer Oberarzt und wieder keine Einleitungskapazitäten. So dringend, kann es dann ja doch nicht sein, dachte ich, und stimmte der vorgeschlagenen „Eipollösung“ zu. Anschließend fuhren wir wieder nach Hause. Noch im Auto veratmete ich eine allererste Wehe. Wieder Hoffnung, dass die Eipollösung nun die Geburt in Gang bringt – und so war es dann auch. Ab 7:00 am Samstagmorgen hatte ich regelmäßige Wehen. Ich rief daraufhin im Kreißsaal an und sagte, dass sie mich wohl von der Warteliste für die Einleitung streichen können. Um 12:00 sollte ich zur CTG Kontrolle kommen. Der Muttermund war zu dem Zeitpunkt zwei bis drei Zentimeter geöffnet – und einen Zugang habe ich auch sofort gelegt bekommen. Mit homöopathischen Tabletten zur Wehenförderung, die ich alle 30 Minuten einnehmen sollte, wurde ich dann noch mal bis 15:00 spazieren geschickt.

Martin nahm mich vor der Klinik in Empfang, und so watschelte ich in seiner Begleitung über den Geusenfriedhof in Köln-Lindenthal, veratmete Wehen und freute mich, dass es endlich losging. Und das sogar ohne Einleitung. Um 15:00 wurde erneut ein CTG geschrieben. Der Muttermund war unverändert, und die Hebamme die mich nach dem Schichtwechsel in Empfang nahm sagte mir, dass die diensthabende Oberärztin mich dringend sprechen wolle. Na, ahnt ihr schon was?

„Ich als Hebamme würde natürlich immer eine Spontangeburt begrüßen, aber in Ihrem Fall…“

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass sich sowohl die Hebammen als auch besagte Ärztin mir gegenüber sehr empathisch und professionell verhalten haben. Die Verkettung unglücklicher Umstände, gepaart mit einem massiven Kommunikationsproblem innerhalb der Klinik, lassen die Abläufe wirklich wie in einem schlechten Film erscheinen. Das Team, das mich an diesem Samstag begleitet hat, trifft jedoch keine Schuld, und ich habe mich zumindest von diesen Menschen verstanden und gut betreut gefühlt.

„Darf an dieser Stelle bitte mein Mann reinkommen?“

Noch während ich am CTG lag und die Wehen intensiver wurden besuchte mich die Oberärztin in meinem Kämmerlein und setzte sich an mein Fußende. Spätestens da wusste ich, dass irgendwas im Busch ist. Sie leitete das Gespräch mit einer Entschuldigung ein und betonte dabei recht deutlich, dass sie sehr unzufrieden über den Behandlungsverlauf seit meiner ersten Vorstellung in der Klinik sei. Eine Einleitung sei bei diesem Befund überhaupt nicht indiziert, sie müsse mich nun dringend über die Risiken einer Spontangeburt bei einem Geburtsgewicht von über 4.200 g aufklären. Bam! Da hab ich nicht schlecht gestaunt – und gerechnet hatte ich damit auch nicht. Ich möchte gar nicht zu sehr ins Detail gehen, aber jede, die so eine Aufklärung schon mal gehört hat weiß, dass man da gefühlt bei jedem Satz einen Zentimeter schrumpft. Sie klärte mich über die Wahrscheinlichkeit auf, dass es zu einer Schulterdystokie kommt, die damit einhergehende Gefahr eines Sauerstoffmangels, Knochenbrüche und letztlich auch den möglichen Tod des Babys. Zudem bestünde eine erhöhte Gefahr von massiven Geburtsverletzungen. Sie müsse mir ab einem geschätzten Geburtsgewicht von 4.200 g dringend zu einem Kaiserschnitt raten. Sollte ich mich dennoch für die Spontangeburt entscheiden, würde für die Austreibungsphase vorsorglich ein Team für das Mc-Roberts-Manöver im Kreißsaal anwesend sein. Ich veratmete das Gehörte und weitere Wehen und hatte mich zu dem Zeitpunkt eigentlich schon von der gewünschten Spontangeburt verabschiedet. „Darf an dieser Stelle bitte mein Mann reinkommen?“ war glaub ich das erste was ich sagte bzw. fragte, und die Ärztin gab sofort vorne Bescheid. Martin durfte zu mir in den Kreißsaal kommen und wir hatten kurz Zeit, alleine zu sprechen.

„Ok, dann machen wir das jetzt so.“

Unter Tränen habe ich Martin dann erklärt, was mir die Ärztin wenige Minuten zuvor gesagt hat. Es war recht schnell klar, dass wir dieses Risiko nicht eingehen wollten, dass wir es uns niemals verzeihen würden, wenn bei einer Spontangeburt wirklich etwas schieflaufen würde. Und das was ich mir nie vorgestellt habe, weil es schlichtweg nie für mich in Frage kam, wurde dann unsere Realität. Wir stimmten einer sekundären Sectio zu: Unser Baby würde per Kaiserschnitt zur Welt kommen. Bye bye friedliche Hypnobirthing-Badewannengeburt.

„Muss ich Sie noch rasieren?“

Als wir der Ärztin unsere Entscheidung mitteilten ging alles wahnsinnig schnell. Sie telefonierte kurz und wenige Minuten später stellten sich bereits zwei Anästhesistinnen vor, die zu meinen persönlichen Seelsorgerinnen wurden. Martin ging nochmal zum Auto um meinen Koffer für den Stationsaufenthalt zu holen. Ich bekam währenddessen einen zweiten Zugang gelegt und eine Pulle NaCl angehängt. Es folgte eine weitere Aufklärung seitens der Ärztin diesmal zum Kaiserschnitt. „Passiert ganz selten, aber kann halt vorkommen“. Wenn ich nicht schwanger gewesen wäre, hätte ich an der Stelle gerne Schnaps getrunken. Stattdessen habe ich natürlich brav alles unterschrieben und mich anschließend in mein sexy OP-Outfit geschmissen. Also so wie Gott mich schuf ins OP-Hemd. Wie gut, dass ich einen Tag vorher noch unter wahnsinnigen Anstrengungen meinen Intimbereich rasiert hatte – blind versteht sich. So konnte ich mir wenigstens die Rasur durch die Hebamme ersparen.

Die Anästhesistinnen bereiteten mich seelisch auf das vor, was mich nun erwartete. Im Nachhinein bin ich wirklich dankbar für die genaue Erklärung der Abläufe und die Vorbereitung auf das hektische Treiben im OP-Saal. Dann ging es auch schon los. Gemeinsam mit der Hebamme, Martin und den Anästhesistinnen gingen wir zum OP-Saal. Im Grunde ist es ja total logisch, dass ich zu Fuß dorthin laufen kann, dennoch empfand ich das als völlig absurde Situation. Ich war noch nie zuvor als Patientin in einem Krankenhaus und nun spazierte ich zu meiner eigenen OP. Tschüss geliebter runder Bauch dachte ich noch kurz, dann überwog meine Nervosität und ich bedauere im Nachhinein, dass ich gar nicht richtig Zeit hatte, um mich von meiner Schwangerschaft und meinem Bauch zu verabschieden. Auch an Hypnobirthing dachte ich in dieser Situation keine Sekunde mehr. Haben mir die Übungen zuvor so gut geholfen, so war nun einfach kein Raum mehr dafür da. Für mich ist das OK. Da ich wirklich zu keiner Zeit einen Gedanken an einen Kaiserschnitt verschwendet habe, war ich nun so nervös und aufgeregt, dass ich jedes beruhigende Wort des Teams hören wollte. Vor dem OP-Saal musste ich mich zunächst von Martin verabschieden. Er musste sich natürlich auch in ein OP-Outfit schmeißen und ich betrat den OP-Saal. An den Füßen hatte ich noch meine Adiletten, stellte mir kurz vor, wie das in Kombination mit meinem Hemdchen aussah und musste tatsächlich lachen. Im OP-Saal erwartete mich ein reines Frauen-Team, was Martin und ich ziemlich cool fanden. Frauenpower!

„Jetzt ganz ruhig sitzenbleiben und nicht bewegen.“

Tja und da spaziert man dann zu seinem eigenen OP-Tisch und darf sich setzen. Ich fand das so schräg und spätestens zu diesem Zeitpunkt ging mir wirklich der Stift. Die Tränen liefen und ich zitterte am ganzen Körper. Während die Assistenzärztinnen genau vor mir Jod in Schüsseln abfüllten und das Besteck sortierten dachte ich nur: „Scheiße, das passiert jetzt hier wirklich.“ Ich fragte mich kurz, wie Frauen das wegstecken, die richtig Angst vor so einem Eingriff haben. Die Hebamme kam hinzu und leitete mich an, ruhiger zu atmen. Das half. Es folgte die Spinalanästhesie, die zu meiner Überraschung wirklich schmerzfrei ablief. Nachdem der Zugang gelegt war, musste ich mich hinlegen. Ich kann bestätigen, dass es dann wirklich hektisch wurde, was aber leider einfach daran liegt, dass ein Kaiserschnitt in einer solchen Klinik ein absoluter Routineeingriff ist, den man möglichst schnell über die Bühne bringen will. Time is money. Mein Unterleib wurde direkt mit Jod eingepinselt und es wurden drölfzig Dinge an meinen Körper und die Finger gepinnt, um meine Vitalwerte zu checken. Anschließend wurden meine Arme fixiert, bevor dann die Anästhesie gestartet wurde. Ich finde es fühlte sich an, wie in warmes Badewasser getaucht zu werden. Es folgte der Blasenkatheter, juhu! Ich hab dann erstmal gefragt ob es sowas wie einen Test gibt bevor sie mich aufschneiden, und ja, den gibt es. Den krönenden Abschluss der Vorbereitungen bildete natürlich das Tuch, das gespannt wurde. Und dann, endlich, durfte auch Martin dazukommen.

Als er in den Saal voller Damen reinkam, drehte er in seinem Outfit erstmal eine Pirouette und brachte uns damit zum Lachen. Er sah wirklich aus wie ein heißer Doc aus Grey’s Anatomy, setzte sich an mein Kopfende, und ich war umringt von Martin, unserer Hebamme und den beiden Anästhesistinnen. Ich wollte auch einen kleinen Beitrag zur lockeren Stimmung leisten und forderte noch von jeder anwesenden Person einen Wetteinsatz zum Geburtsgewicht ein. Dann ging es los.

„Sie müssen uns jetzt ein bisschen mithelfen.“

Man hört es oft und ich kann es bestätigen: man spürt keinen Schmerz, aber es rumpelt und ruckelt doch gewaltig bei einem Kaiserschnitt. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nur, dass es jetzt wahnsinnig schnell geht. Am Monitor hörte ich bei dem Gedanken, gleich mein Baby kennenzulernen, meinen Puls immer schneller werden. Martin und ich sahen uns lange in die Augen und warteten auf den ersten Schrei. Zu unserer Überraschung schaltete sich aber die Hebamme ein, die mir sagte, dass ich nun ein bisschen Mithelfen müsse. Es folgte mein persönliches kleines Geburtshighlight, denn wegen der beachtlichen Größe unseres Sohnes durfte ich pressen. Die Hebamme hielt mir dabei den Kopf und leitete mich an. Ich gab richtig Gas und das ganze Team feuerte mich dabei an. So durfte ich wenigstens ein kleines Stückchen „normale Geburt“ während des Kaiserschnitts erleben. Das Gezerre an meinem Unterleib wurde intensiver. Ehrlich gesagt fühlte es sich an als würden die mich einmal komplett durchrütteln, und da war es endlich, ein hohes und freudiges „Hallooo“ der Oberärztin und das Schreien unseres Kindes.

„So viele schöne Haare!“

Sekunden später wurde er mir von der Hebamme ins Gesicht gelegt. Nie werde ich vergessen wie wunderbar warm und weich er sich anfühlte. Seine warme, noch vom Fruchtwasser nasse Haut klebte an meiner Wange und ich spürte wie er mit dem Mund an meinem Kinn nuckelte. Matti war geboren. Am 4. September um 17:46. Ich bat die Hebamme, ihn noch mal zu nehmen und ein bisschen weiter weg zu halten, damit ich ihn mir ansehen könne. Er hatte viele wunderschöne Haare und eine herrliche Boxerstirn mit Plattnäschen, da es auf den letzten Metern wohl etwas eng in meinem Beckenbereich für ihn wurde. Das Team beglückwünschte uns und die Kinderärztin, die ihn wegen seiner Niere direkt in Empfang nehmen sollte, stand plötzlich an meinem Kopfende und nahm ihn anders als erwartet nicht direkt mit. Sie sagte uns, dass er einen fitten Eindruck mache und wir uns gerne etwas Zeit mit ihm nehmen könnten. Dafür bin ich sehr dankbar.

Martin begleitete den Kleinen dann etwas später ganz in Ruhe zur ersten Untersuchung. Die Wette über sein Geburtsgewicht habe jedenfalls ich gewonnen: 4.120 g war mein Tipp, am Ende waren es 4.140 g verteilt auf 56 cm mit einem Kopfumfang von 37 cm. Ganze 460 g Abweichung zum letzten Ultraschall. Ein stattliches Kerlchen, aber eben doch kein Riesenbaby. Eigentlich war uns das die ganze Zeit klar. Während meine Männer bei der Kinderärztin waren wurde ich genäht und anschließend auf mein Stationsbett umgelagert. Für mein Empfinden ging das alles sehr zügig und ich hatte zum Glück nicht das Gefühl eine Ewigkeit warten zu müssen, bis ich mein Baby wiedersehen konnte.

„Ich fühl‘ mich als wär ich high.“

Los ging die Reise vom OP-Saal zurück in den Kreißsaal. Auf dem Weg hatte ich bereits den Verdacht, dass ich mir das Erlebte eventuell nochmal durch den Kopf gehen lassen müsse. Alle Anspannung fiel schlagartig von mir ab und mir war plötzlich so schlecht wie zuletzt auf Teneriffa, als wir auf einem Segelboot nach Delfinen Ausschau gehalten haben. Im Zimmer saß Martin schon mit unserem Baby – was für ein wunderschöner Anblick. Als die endgültige Parkposition erreicht war, riss ich mir gleich das OP-Hemd vom Körper um meinen Sohn anzulegen – Bondingzeit. Mein Sohn pinkelte mir dabei mehrfach auf den Bauch und ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr man sich darüber freuen kann, wenn es ein Thema mit der Niere gibt. Die Übelkeit wich einem wahnsinnigen Hungergefühl, wechselte aber leider relativ schnell zurück zu Übelkeit, so dass Martin mir nach meinem lautstark eingeforderten Energieriegel auch gleich eine Spucktüte reichen musste. Nie zuvor lagen ein Schwall größtmöglicher Liebe und ein Schwall Erbrochenes näher beieinander. Es war wunderschön. Da waren wir nun also, zu Dritt, kuschelten und lernten uns kennen.

Die Hebamme und eine andere Kinderärztin, die einen Nierenultraschall machen wollte, unterbrachen uns dabei noch ein letztes Mal, bevor wir insgesamt fast sechs gemeinsame Stunden verbringen durften. Gegen 23:30 fuhr Martin nach Hause, und Matti und ich wurden auf die Wöchnerinnenstation verlegt. In dieser ersten Nacht habe ich kein Auge zugetan. Nie hätte ich gedacht, mein Baby auf diese Weise auf die Welt zu bringen. Aber so war es nun und es war okay. Die Nachtschwestern die mich auf Station in Empfang nahmen fragten mich, ob ich mir und dem Kleinen etwas anziehen wollte. Ich lehnte ab. Die ganze Nacht lagen wir Haut an Haut zusammen und es war genau richtig so. Mein kleiner wunderbarer Junge schlief friedlich auf meiner Brust und ich habe ihn stundenlang nur angesehen. Das war also die Geburt unseres Sohnes.

Wenn ich auf die letzten Tage dieser wirklich schönen und unkomplizierten Schwangerschaft zurückblicke, wühlt mich das emotional doch sehr auf. Da waren viele Tränen, Ängste und Stresssituationen, die ich uns gerne erspart hätte. Natürlich habe ich mir das alles komplett anders vorgestellt und dennoch kann ich zumindest mit dem Tag seiner Geburt Frieden schließen. Unserem Kind geht es gut und das hatte zu jeder Zeit die höchste Priorität. Das chaotische Hintergrundrauschen zu verarbeiten braucht vermutlich etwas mehr Zeit. Die nehmen wir uns, halten dabei unseren Sohn in den Armen und sind unendlich dankbar und voller Liebe für dieses wunderbare Geschenk.

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Moin!

Ich bin Ani. Mit meinem Freund, unserem Sohn und den beiden Katern Iggy und Grisu habe ich mich nach 10 Jahren in Hamburg für ein Leben im Kölner Umland entschieden. Auf meinem Blog geht es rund um unseren bunten Alltag im 50er Jahre Haus und sämtlichen anderen Kokolores der mir so begegnet. Das ganz normale Leben eben. Schön, dass du da bist!

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